Urban Sports Club & Co – Aus der Perspektive einer Yogalehrerin

„Hast du den Leuten gesagt, wir erhalten das gleiche Geld, wenn sie mit USC kommen? Das musst du aber richtigstellen.“

Uuuuuuuuuuuuuuuuuups. Faux-Pas des Jahres an einem gemütlichen gemeinsamen Abend, an dem einige Yogaschüler anwesend waren. Ehrlich gesagt: Nein, ich habe mir nicht exakt genau die Zahlungsmodalitäten von Urban Sports Club eingeprägt. Weil 90 % aller Yogalehrer nicht den Hauptteil ihres Einkommens durch Yoga erzielen. Auch ich nicht.

In einem Gespräch mit meiner Mentorin erwähnte ich, dass Yoga unterrichten und alles drumherum zwar 50 % meiner Zeit einnimmt, aber definitiv nicht einmal 30 % meines Einkommens erzielt. Die Reaktion: „Natürlich nicht. Yoga unterrichten ist nicht logisch. Aber denke daran, was dir Yoga unterrichten sonst noch gibt, das sich nicht in Geld aufwiegen lässt.“

Menschliche Verbindung. Mehr lernen über mich und andere Menschen, in jeder Yogastunde. Die Möglichkeit, jemandem einen Moment der Ruhe zu schenken. Und so unendlich viel mehr. Allein die Möglichkeit, eine Yogalehrer-Ausbildung zu machen und zu unterrichten, ist ein riesiges Privileg in dieser Welt.

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An die Yogateilnehmer, besonders die Fortgeschrittenen, die vielleicht mal eine Lehrerausbildung machen möchten: Wenn man einrechnet, wie viel Zeit wir damit verbringen, Klassen vorzubereiten, vorher und nachher im Studio zu sein und zu unterrichten, dann noch Steuern, private Krankenversicherung (es sei denn, du hast noch einen Angestelltenjob…) – dann kommt unter dem Strich für Yoga unterrichten nicht viel mehr raus als ein Mindestlohn.

Ich werde von anderen Yogalehrern angegriffen dafür, dass ich meine Einstellung dazu ganz offen publik mache. Ich weiß, dass ihr hier lest, ganz besonders die, die in dem kuscheligen Nest der Festanstellung leben und jeden Pfennig drei Mal umdrehen.

Traditionell war Yoga ein Zeitvertreib für Aussteiger. Im Indien des 16. Jahrhunderts, als Yogis als nomadische Banden herumzogen und massenweise Orgien veranstalteten. Bevor die britische Regierung es deswegen untersagte (kein Witz, lest gern mehr zur Geschichte des Yoga…)

Daher stammt die Idee, dass man mit Yoga kein Geld verdienen sollte, weil es ein Dienst an die Menschheit ist. Genauso, wie die katholische Kirche *kein Geld verdient* (schon mal die fetten Bling-Bling-Katholikenkirchen gesehen?)… Dagegen tritt das 21. Jahrhundert an, in dem Leute heulen, sie könnten kaum überleben, haben aber gleichzeitig als Einzelperson eine 70-Quadratmeterwohnung in einer guten Lage in einer schicken europäischen Großstadt, ein Auto und fahren jeden zweiten Monat ein paar Tage nach Sylt, einmal im Jahr ein paar Wochen nach Bali. Life sucks.

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Die Realität ist diese: Wir wollen alle Geld sparen. Besonders aufgeklärte Frauen dieses Jahrtausends, die sich nicht auf Männer oder Kinder als Altersversicherung verlassen wollen. Eine Fitnessstudio-Mitgliedschaft in einem schönen Studio mit Auswahl, Wellness etc. kostet eben in einer Großstadt um die 100 € pro Monat. Das ist ein ordentlicher Betrag. Und dann noch mal genauso viel Kohle in einem Yogastudio lassen?!

Ich bin selbst immer mal wieder ein paar Monate Mitglied bei Urban Sports Club (die diesen Post hier definitiv nicht sponsern), wegen der Auswahl, der Möglichkeiten, mal was ganz anderes zu probieren, ohne große Hemmschwelle.

Als Yogalehrer liegt es mir am Herzen, dass Menschen alle Aspekte abdecken: Körper, Geist, Seele. 200 € pro Monat dafür ist schon eine hohe Hausnummer. Die paar Euro, die es für mich mehr oder weniger bedeutet, ob du direkt zahlst oder mit USC, sind mir vollkommen gleich.

Wenn du jetzt sagst, 100, 200 Euro, das ist doch nicht viel für Wohlbefinden und Weiterentwicklung: Herzlichen Glückwunsch zu deinem gigantischen Privileg. Es geht nicht jedem so und selbst wenn, legt man vielleicht auch die 100 € im Monat lieber auf die Seite. Ich bin erst Anfang 30, aber durch meinen brexit-bedingten Umzug von London nach Hamburg habe ich eines gelernt: Die Welt ändert sich schneller und unerwarteter, als du denkst. Ein kleines finanzielles Polster kann nie schaden.

Als jemand, der seit über 17 Jahren Yoga praktiziert, möchte ich sogar ausdrücklich darauf hinweisen, dass Yoga NICHT die Lösung für alles ist. Ganz besonders nur ein Yogastil bei einem Yogalehrer ist nicht das Ultimative. Jeder, der dir was anderes erzählt, hat nur den eigenen Kontostand im Hinterkopf. Ich habe zwar „meine“ 2 – 3 Yogastile gefunden, aber probiere immer mal wieder was Neues, um nicht in einen ollen Trott zu verfallen.

Und wenn jemand tiefer gehen möchte: Nimm das Geld, das du durch Mitgliedschaften sparst und investiere es in Workshops und andere Events, die tiefer gehen. In jedem Fall: Wie schön, dass du dich unter den hunderten von Möglichkeiten in deiner privilegierten Welt für meine Yogastunde entscheidest.

Namaste.

Video: Forrest Yoga Grundpfeiler

Breath – Strength – Integrity – Spirit

In diesem Video stelle ich dir die vier Grundpfeiler des Forrest Yoga vor, die das Gerüst für jede Forrest-Stunde bieten; auch wenn es nicht immer vordergründig erkennbar ist.

 

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Eine Reise, die ist lustig: Yogaretreat vs. Yogareise

„Ich hätte mir mehr Zeit für mich gewünscht. Mehr Zeit, für innere Entwicklung. Zeit, die Dinge nachwirken zu lassen.“

So oder so ähnlich tönten einige Stimmen am Ende der einwöchigen Yogareise auf Korfu, die ich in der letzten Woche als Yogalehrerin begleiten durfte. Und genauso ist es mir selbst auch oft ergangen, nachdem ich an einem vermeintlichen „Retreat“ teilgenommen habe.

warrior2Bitte nicht falsch verstehen, es ist überhaupt nichts gegen Yogareisen einzuwenden, ganz im Gegenteil! Ich genieße sie sehr, als Lehrer wie als Teilnehmer. Doch immer wenn du eine Reise buchst, bei der Yoga ein Programmpunkt ist, lohnt es sich, zwischen den Zeilen zu lesen bzw. einfach die Organisatoren zu fragen:

Handelt es sich um eine Reise mit etwas Yoga als Programmpunkt, oder ein speziell auf Yoga und persönliche Entwicklung/Rückzug ausgerichtetes Retreat?

In erster Linie besteht der Unterschied zwischen einer Yogareise und einem Yogaretreat darin, dass hinter einer Yogareise eine Menge Menschen stecken, und der Yogalehrer ist einer dieser „Dienstleister“. Ein pures Retreat ist hingegen eher von einem Yogalehrer selbst organisiert – das bedeutet, dieser Lehrer entwickelt auch das Retreatprogramm spezifisch entsprechend seiner eigenen Zielgruppe, nicht für eine breite Masse.

Natürlich ist das nur ein kleiner Anhaltspunkt, ein Yogalehrer kann genauso gut selbst eine bunte Reise organisieren, oder ein Retreat-Anbieter mit viel Personal ein fixes Programm, das sich auf Yoga & Spiritualität konzentriert.

Noch ein paar Unterschiede:

Die Asana-Praxis

Eine Yogareise machen oft Menschen, die kaum oder wenig Erfahrung mit Yoga haben, ältere Menschen, die sich etwas bewegen möchten oder einen Anstoß zum Wiedereinstieg ins Yoga möchten. Das bedeutet, der Yogaunterricht ist flexibel. In der Beschreibung steht dann eher „sanftes Yoga“ oder „klassisches Yoga“ als ein bestimmter Stil, Infos zum Lehrer sind rar.

Bei einem Retreat für „Yogis“ unterrichtet ein Lehrer seinen ganz eigenen, spezifischen Stil bzw. bestimmte Yogastile und wirbt auch genau damit. Das bedeutet nicht, dass du ein bestimmtes „Level“ oder massig Erfahrung haben musst. Aber du solltest schon daran interessiert sein, deine Yogapraxis zu vertiefen, auf die eine oder andere Art. Damit kommen wir zum nächsten Punkt:

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Der spirituelle Aspekt

Auch dieser Aspekt wird bei einer Yogareise eher allgemein gehalten. Singen, tanzen, Meditation und Mantren singen steht auf dem Programm, gemacht wird, worauf Teilnehmer Lust haben. Oder auch nicht.

Bei einem Retreat mit Yoga-Fokus gibt es oft ein bestimmtes Thema, wie z. B. Frühlingserwachen, Freiheit, Loslassen, oder aber auch Yoga für Schwangere, Yoga für Kopfmenschen – ganz wie bei einer Forrest Yoga Klasse, bei der wir zu Beginn jeder Klasse einen „Intent“, also ein Thema für die Stunde bieten. Dieses Thema kann auf einem Retreat ganz anders ausgearbeitet werden, denn man hat mehrere Klassen und Stunden, die darauf aufbauen. Dadurch ist es ganz besonders geeignet, wenn es ein bestimmtes Thema in deinem Leben gibt, in das du tiefer eintauchen möchtest.

Nach eine solchen Retreat sind einige Dinge vielleicht klarer, manchmal hat ein Programm wie dieses durch den Fokus auf ein Thema wirklich die Macht, dein Leben nachhaltig zu verändern. Es geht also erheblich tiefer als nur ein bisschen entspannen.

Das Rahmenprogramm

Überhaupt: Das Wort „Retreat“ bedeutet soviel wie „Rückzug“. Für mich bedeutet das nicht nur einen Rückzug vom Alltag, sondern auch von einem vollem Terminplan.

Ganz- und halbtägige Exkursionen mit der Gruppe können ordentlich Spaß machen und das Yogaprogramm wundervoll ergänzen. Auch bei Retreats mit Yogafokus will nicht jeder die ganze Zeit allein auf seinem Zimmer hocken (dazu unten mehr).

Aber generell sollte bei einem Retreat Yoga und Introspektion im Fokus stehen, viel mehr, als am Reiseort neue Eindrücke zu sammeln. Ich persönlich schätze es, vor oder nach so einem Retreat mehr „Reise“ mit Sightseeing etc. zu machen und mich während der Retreatzeit nach innen zu fokussieren.balcony view.jpeg

Soziale Verbindung, Gruppengefühl

Hier ist ein großer Knackpunkt: Austausch in der Gruppe, besonders mit Menschen, die viel gemeinsam haben, ist richtig klasse und etwas, was bei Yogakursen im Studio sonst viel zu kurz kommt.

Aber manchmal möchte man genau das, was das Wort „Retreat“ bedeutet: Sich zurückziehen, um das Erlebte und die Yogapraxis nachwirken zu lassen. So schön es ist, wenn sich eine gute Dynamik in einer Reisegruppe entwickelt – manchmal hat man dadurch das Gefühl, einer Art Gruppenzwang zu unterliegen. Auch wenn das Motto ist „alles kann, nichts muss“, möchte man nicht immer etwas mit der Gruppe machen, sich nach den Mahlzeiten wieder zurückziehen und dabei nicht als sonderbar gesehen werden. Trotzdem ist es auch dann schön, den Kontakt zur Gruppe suchen zu können.

Was schätzt du an einem Yogaretreat besonders? Und an einer Yogareise? Wenn du dein eigenes Retreat entwickeln könntest, wie würde es aussehen?

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10 Dinge, die dein Yogalehrer dich wissen lassen möchte

Boah, ein SEO-optimierter „10 Dinge“-Post. Das wird toll!

Ich unterrichte jetzt seit etwas über einem Jahr und dabei sind mir ein paar Dinge bei Teilnehmern aufgefallen. Yoga ist eben doch mehr als „ein bisschen dehnen“. Durch dieses spirituell angehauchte Kuddelmuddel entsteht oft ein seltsames Respektverhältnis zwischen Yogalehrern und Schülern.

Deswegen möchte ich dir folgendes sagen:20190217-_GKU7386

1. Du musst dich nicht für deinen Lifestyle entschuldigen

 Yogalehrer sind keine spirituellen Heiligen. Naja, ich jedenfalls nicht. Leute entschuldigen sich bei mir regelmäßig dafür, dass sie Fleisch essen, ihre Yogahose von H&M kommt, dass sie vor der Stunde unbedingt mal eine rauchen mussten oder sogar dafür, dass sie „die meiste Zeit des Tages sitzen“.

Weißt du was? Das ist vollkommen ok. Wir sind alle menschlich. Ich bin nicht hier, um über dich zu urteilen. Und überhaupt: Wenn du über diese Dinge überhaupt nachdenkst, bist du 98% yogischer eingestellt als der Rest der Weltbevölkerung.

2. Wie es mit deiner Pediküre steht, ist mir total egal

Manchmal wollen Leute nicht die Socken ausziehen, weil sie ihre Füße so hässlich finden. Herzlichen Glückwunsch, wir sind beim Yoga. Hier lernen wir unsere Körper besser kennen und auch, uns mit diesem anzufreunden. Ohne Socken hat man ein viel besseres Gefühl für seine Füße und auch besseren Halt auf der Matte (eine Forrest Yoga Standing Series mit Socken ist wirklich doof!)

Und die Füßchen werden schon warm, wenn es nicht gerade eine Yin- oder Restorative-Klasse ist (dann lass gern die Socken an).

3. Bitte trag Kleidung, in der dein Körper gut erkennbar ist

birdwingbali_2I know, I know. Ich liebe es selbst auch, schwarz zu tragen. Tatsächlich wird uns Forrest-Yogalehrern aber ans Herz gelegt, bunte und enganliegende Klamotten zu tragen. Weil es einfach geil aussieht 😀

… haha nein, der Grund ist eher: So kann man jede einzelne Bewegung, die Knochen und Muskeln besser sehen. Wenn du in einem weiten T-Shirt und Schlabberhose kommst, kann ich nicht sehen, was passiert, und dir auch viele Assists überhaupt nicht geben.

Davon abgesehen geht es auch mal kopfüber. Wenn du dann nicht oben ohne dastehen willst, lohnt sich ein engeres Oberteil.

4. Ich weiß auch nicht, was das Symptom zu bedeuten hat…

… denn ich bin kein Arzt! Wenn du Herzrasen hast, das über einen längeren Zeitraum nicht weg geht, dir nach dem Aufstehen immer schwindlig wird, dir irgendwo etwas richtig wehtut, dann geh zum Arzt.

Yogalehrer sind keine Ärzte, keine Heilpraktiker, ja nicht einmal Physiotherapeuten. Natürlich kann Yoga deine Gesundheit und Heilung unterstützen und kleine Wehwehchen ausgleichen. Ich sage dir gern, welche Pose sich da eignet. Aber einen Arztbesuch und fachliche Behandlung kann ich nicht ersetzen.

5. Mir macht dein Schweiß gar nichts aus.

Ich habe freiwillig Wochen mit Dutzenden von Menschen eng auf eng, Matte an Matte gepackt verbracht, bei über 30 Grad, und den ganzen Tag Yoga gemacht und die anderen auch noch dauernd Menschen berührt (das nennt man Yogalehrer-Ausbildung).

Und auch sonst alle anderen körperlichen… Ausdünstungen, die mal beim Yoga passieren. Ist mir wirklich pupsegal.

6. Bitte mich gern um Hilfe!

Ich freue mich sehr, wenn du dich nicht ganz in eine Pose traust und mir vertraust, dich dabei zu unterstützen. Genau deswegen bin ich doch Yogalehrer geworden.

7. Mach etwas anderes als Yoga, um deinen Körper zu bewegen

Das sage gerade ich… es ist schwer, besonders wenn man so richtig Blut geleckt hat. Aber immer, wenn wir nur eine Sache machen, verkümmern andere Bereiche oder es kommt sogar zu langfristigen Abnutzungserscheinungen. Auch wenn du das sicherste Yoga überhaupt machst und ein perfekter Alignment-Master bist; unser Körper kann und möchte so viel mehr. Geh mal schwimmen, wandern, oder einfach ne Runde im Park spazieren.

Als Yin-Lehrerin möchte ich hier ganz klar sagen: Yin Yoga ist eine Zusatzpraxis und sollte keine alleinige Yogapraxis ausmachen. Wenn du Yin liebst, weil du sehr flexibel bist, solltest du vor allem deine Kraft trainieren (und heimlich deine Yin-Stunden weitergenießen), damit deine Gelenke nicht irgendwann total durch sind. Wenn du dauerhaft nur die Energie für Yin Yoga hast, aber keine bekannte Erkrankung, lass dich bitte mal vom Arzt durchchecken. Das könnte im Bestfall ein Burnout sein, oder aber auch an einer anderen Erkrankung oder Stoffwechselstörung liegen.

8. Ich beurteile deine Leistung nicht

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Mein Job ist nicht, dir in den Rücken zu fallen… es sei denn, du bittest mich darum 😉

Ob du flexibel bist oder nicht, stark oder schwach, alt oder jung, dick oder dünn. Das spielt wirklich überhaupt keine Rolle. Auch nicht in einer Asana-intensiven Yogapraxis wie beim Forrest. Was zählt, ist der Wille, mitzumachen, ehrlich mit sich selbst zu sein und auch mal über den eigenen (selbst gesteckten) Tellerrand zu schauen.

Wenn du mal in meinem Kurs warst, weißt du, ich hab einen sehr schwarzen Humor. Ich lache aber ganz sicher nicht ÜBER dich, sondern über eine Situation… oder über mich selbst. Ich rede nämlich oft eine ganze Menge Mist, während du voll auf dich konzentrierst bist und gar nicht zuhörst 😉

9. Es ist ok, wenn du einen anderen Yogastil lieber magst. Ich unterrichte, was ich möchte, nach den Vorgaben des jeweiligen Stils.

Fragen und Feedback sind eigentlich bei jedem Yogalehrer herzlich willkommen! Manchmal gibt es aber paradoxes Feedback. Beim Forrest Yoga zum Beispiel wird mir gesagt, ich solle keine Bauchübungen machen, die Bewegungsabläufe fließender gestalten oder Posen auf Deutsch ansagen. Bauchübungen und das lange Halten der Posen sind aber nun einmal grundlegende Bestandteile dieser Yogapraxis, wie auch das „Ansagen“ der Posen auf Englisch (für etwa 80 % der Forrest Posen gibt es gar keinen deutschen Namen). Wenn ich das nicht machen würde, dürfte ich meinen Kurs nicht Forrest Yoga nennen.

Jeder hat seine Lieblingsstile; finde gern deinen. Aber ein Yogalehrer kann einen „fertigen“ Yogastil nicht einfach ändern. Das wäre, als ob Mercedes ab morgen nur noch Bobby Cars bauen würde. Oder du zum Urologen gehst und ihn bittest, dein Baby zu entbinden. In die Pizzeria, um dir Sushi zu bestellen. Du weißt, was ich meine 😉

10. Fortschritt braucht Zeit. Und mehr als eine Stunde Yogapraxis die Woche.

Manchmal fragen mich Leute, wie „oft die Woche“ Yoga ideal sei und wie oft ich praktiziere.

(Reality Check: Viele Lehrer haben neben dem Unterrichten kaum Zeit für ihre eigene Praxis. Wenn es irgendwie geht, gehe ich 2-3 Mal die Woche mindestens eine Stunde auf die Matte, 2-3 Mal die Woche so etwa eine halbe Stunde. Einen Tag die Woche versuche ich, Asana-frei zu halten. Da sind nicht die Klassen enthalten, die ich für Kurse vorbereite und übe.)

Ein Yogakurs die Woche ist super und realistisch gesehen ist das alles, wozu die meisten arbeitenden Menschen Zeit haben. Aber davon darfst du keine Wunder erwarten. 60 bis 90 Minuten die Woche helfen dir langfristig, deine Haltung zu verbessern, ausgeglichener zu sein, deine Gelenke und Muskeln in Stand zu halten. Viel mehr nicht.

Wenn du dir wirkliche Fortschritte in deiner Yogapraxis wünschst und vielleicht mal ein paar fancy Asana können willst, musst du mehr ran. Dazu müssen Atem, Kopf, Technik, Muskeln und Gelenke mitspielen. Du musst nicht unbedingt jeden Tag eine Stunde praktizieren, aber ein paar Sonnengrüße jeden zweiten Tag wären schon ein Anfang. Beim Yoga macht eine regelmäßige, kurze Praxis viel aus!

Gibt es sonst noch Fragen, die du einem Yogalehrer schon immer stellen wolltest? Leg los, wir haben kein Berufsgeheimnis 😉

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Yogalehrer-Vertretung: “Das machen wir aber sonst anders”

Über Gewöhnung und warum es sich lohnt, die Stunden verschiedener Yogalehrer zu besuchen

20190217-_GKU7329Freitagnachmittag, 16:30. Nach Wochen habe ich mir einen Nachmittag freigeschaufelt, um ihn endlich wieder zu sehen: Meinen Lieblingsyogalehrer, der so einzigartig unterrichtet wie sonst keiner, obwohl es viele gibt, die genau die gleiche Ausbildung genossen haben wie er, den gleichen Stil unterrichtet. Aber irgendwas an der Art und Weise, wie er spricht, wie er Stunden gestaltet und mir gruseligerweise ganz oft direkt in die Seele schauen kann, macht ihn besonders. Sogar in dieses doofe Fitnessstudio bekommt er mich, denn dies ist die einzige Stunde dieser Art in der Woche in der ganzen Stadt. Er ist kein berühmter Guru, der in der ganzen Welt umherturnt und Wunder bewirkt. Er ist nicht einmal in dieser Stadt besonders bekannt. Aber nach jeder Stunde bei ihm fühle ich mich so frei, so stark, so neu!

Als ich in Flip-Flops die Treppe zum Studio hochwatschele und durch die Glastür in den Raum schaue, in welchem die Props für die Stunde vorbereitet werden, stoppt mein Herz einen kleinen Moment: Da steht eine Andere. Eine, die ich noch nie gesehen habe. EINE VERTRETUNG. Ich überlege kurz, ob ich nicht umkehre und mich stattdessen in die Sauna setze. Aber ich bleibe. Einige andere, die den Kurs regelmäßig besuchen, drehen tatsächlich um, als sie bemerken, heute ist ER nicht da… oder noch schlimmer, sie sprechen kurz leicht verächtlich mit der Vertretung: “Nichts für ungut, aber ich bin extra wegen ihm hier…”

Auch als Yogalehrerin bin ich natürlich Yogaschülerin und kenne dieses Gefühl. Es spricht überhaupt nichts dagegen, einen Lieblingslehrer zu haben, dessen oder deren Stunden du bevorzugst. Aber trotzdem lohnt es sich, nicht immer die Stunden des gleichen Lehrers oder sogar den gleichen Stil auszuprobieren. Aus mehreren Gründen:

Abwechslung für den Körper

Wenn wir immer nur die Yogastunden eines Lehrers besuchen, gewöhnt unser Körper sich an die gleichen Bewegungsabläufe oder ähnliche Prinzipien…. und das sind häufig die Abläufe und Prinzipien, die für diesen Lehrer selbst gut funktionieren oder von denen er glaubt, dass sie für die Teilnehmer gut sind.

Genau, wie wenn man ständig nur 5 Kilometer joggt oder immer die gleichen Gewichte stemmt, kommt man in der Yogapraxis irgendwann auf ein Plateau, wenn man immer auf die gleiche Weise praktiziert. Das ist ganz besonders bei offenen, gemischten Yogaklassen so, bei denen das Unterrichtsniveau vor allem an Anfänger ausgerichtet ist. Ein neuer Lehrer bietet dir die Möglichkeit, deinen Körper auf andere Weise zu fordern, ohne gleich einen einarmigen Handstand machen zu müssen.

Und wenn die Ansagen des anderen Lehrers dir überhaupt nicht passen? Herzlichen Glückwunsch, auch dann hast du etwas ganz Wertvolles über dich und deinen Körper gelernt, was in einer Stunde mit dem “reibungslosen” Kursleiter nicht passiert wäre.

Abwechslung für den Kopf

Ob es uns passt oder nicht, wir sind Routinemenschen. Doch wie der Körper bleibt auch unser Geist nur dann beweglich, wenn wir ihm regelmäßig verschiedene Stimuli bieten.

Unser Gehirn fährt die meiste Zeit den gleichen, gewohnten Film ab. Lass dich einfach mal darauf ein, etwas ganz anderes zu machen. Oft assoziieren wir automatisch nur das Gewohnte positiv und schrecken vor allem Ungewohnten instinktiv zurück. Was dabei auch passiert: Große Teile unseres Gehirns pennen einfach und werden immer weniger gefordert.

Es muss dir ja noch nicht einmal gefallen! Wir leben ohnehin schon in so einer gefilterten Blase des Zielgruppenmarketings und unserer sozial-kulturellen Kreise. Was, wenn du einfach mal beobachtest, was es mit dir macht, wenn du etwas ganz anders machen sollst oder “dein” Lehrer dir nicht zur Seite steht. Ist diese eine Person wirklich so wichtig für DEINE Yogapraxis?

Du musst ja dazu in einer einzelnen Yogastunde gar nicht deine Seele verkaufen und dich gegen die Grundwerte deiner Existenz stellen, sondern kannst es ganz easy als Experiment sehen.

Erweitere deinen (Yoga-)Horizont

Schlussendlich ist auch jede Vertretungsstunde eine tolle Chance, mehr über die große Welt des Yogas zu lernen. Zugegeben, ich habe schon erlebt, dass jemand für eine Power Yoga Stunde einen Tai Chi Lehrer als Vertretung schickt oder es statt Iyengar eine Kundalini-Stunde gibt… aber das zeugt dann eher davon, dass der eigentliche Lehrer sich nicht viel darum kümmert, wer in seiner Abwesenheit nach seinen Teilnehmern schaut und sagt mehr über den denjenigen als seine Vertretung aus. Aber dennoch: Wäre das nicht passiert, hätte ich diese anderen Stile garantiert nie ausprobiert, weil ich wusste, da bin ich nicht der Typ für. Jetzt kann ich wenigstens objektiv mitreden und deutlich sagen, warum so mancher Stil nichts für mich ist.

Wenn dir etwas absolut nicht gut tut, dann lass es sein, aber störe weder den Lehrer noch die anderen Schüler. Wenn dich eine Sache in einer Stunde sehr verwirrt, sprich mit dem Lehrer nach der Stunde darüber – unterrichten ist eine große Herzenssache für uns alle und fast jeder wird sich freuen, wenn du Fragen stellst!

(Ausnahmen sind Assists, die dir wehtun! Da solltest du ganz vehement und sofort dem Lehrer Feedback geben!)

Und schließlich: Mach dich frei von Vorurteilen und benimm dich höflich gegenüber dem Vertretungslehrer. Ich habe schon krasse Dinge erlebt, als Lehrerin und Schülerin in Vertretungsstunden: Menschen, die der Vertretung in der laufenden Stunde böse Worte an den Kopf werden. Die ganze Teile der Stunde verweigern, auf ihrer Matte sitzenbleiben und die Vertretung anstarren. Die Vertretung ist meist sowieso schon nervös genug, sei wenigstens ein bisschen kooperativ.

Jetzt aber Hand aufs Herz: Was sind die seltsamsten oder lustigsten Dinge, die du in einer Vertretungsstunde erlebt hast? Als Teilnehmer oder Schüler?

Yoga-Buchempfehlungen, für alle, die mehr wollen

20190525_192339Manchmal geschieht es… man hat einfach Blut geleckt und will mehr als nur eine regelmäßige Yogapraxis zuhause und im Studio, mehr als ab zu mal einen Workshop oder ein Retreat besuchen.

Oft fragen mich Schüler, welche Yogabücher ich empfehlen kann, wenn man tiefer gehen möchte. Das ist natürlich davon abhängig, in welchen Bereich man tiefer eintauchen möchte! Die folgenden Buchempfehlungen sind Bücher, die mir persönlich sehr viel gegeben haben. Einige sind sehr praktisch orientiert, andere wiederum generell.

Spirituelle Yogabücher sind eher nicht mein Ding, weil ich nicht glaube, dass Spiritualität sich verallgemeinern und so einfach in Worte fassen lässt.

Die empfohlenen Bücher sind auf Englisch, da ich in der Regel im Original lese; einige gibt es in Übersetzung, aber ich muss leider sagen, dass die Übersetzungen vieler Yogabücher sehr zu wünschen übrig lassen, da die Übersetzer meist nicht wirklich viel mit der Materie zu tun haben.

 

  • “Yoga as Medicine: The Yogic Prescription for Health & Healing: A Yoga Journal Book.”, McCall, Timothy B.

Das Buch sieht sich verschiedene gesundheitliche und psychische Themen und die verschiedenen Ansätze unterschiedlicher Yogastile an. Trotzdem ist es sehr locker zu lesen und gibt einen fantastischen Einblick in verschiedene Yogastile und was Yoga alles kann – keineswegs nur körperlich gesehen.

 

  • „The Heart of Yoga” von T.K.V. Desikachar

Von einem der Begründer des modernen Yogas, ein Klassiker sozusagen. Hauptsächlich bezogen auf praktische Yoga-Philosophie und darauf, wie man eine solide eigene Yogapraxis aufbaut.

 

  • „Light on Yoga: The Bible of Modern Yoga” von Iyengar

Iyengar war einer der Lehrer von Ana Forrest, und auch heute noch gehört die Iyenger-Ausbildung zu den striktesten, umfangreichsten Yogalehrerausbildungen überhaupt. Trotz großem Fokus auf Asanas ist für mich die Einleitung zu diesem Buch einfach der schönste, hilfreichste Text zur Yoga-Philosophie überhaupt.

 

  • “YinSights: A Journey into the Philosophy and Practice of Yin Yoga”, Bernie Clarke.

Dazu, was Yin Yoga ist, will und kann. Überhaupt ALLE BÜCHER von Bernie Clarke, aber seine anderen Bücher sind sehr anatomie-fokussiert, muss man mögen.

P.S.: Natürlich, auch das Buch „Die Yogakriegerin“ von Ana T. Forrest. Für jemanden, der ein erstes Interesse an Forrest Yoga hat, finde ich dieses Buch aber eher too much, da es zum Großteil einfach Anas Biografie ist. Einen guten Eindruck davon, wie eine Forrest Yoga Klasse aussieht, erhält man daraus nicht. Das Buch würde ich wirklich eher Leuten empfehlen, die ein sehr tiefgehendes Interesse an Forrest Yoga haben und evtl. sogar mit einem Teacher Training liebäugeln.

Warum sich ein Yoga-Retreat lohnt

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Aussicht nach Wanderung und vor der Meditation auf einem Yoga-Retreat in Kos

Die Gründe, an einem Yoga Retreat teilzunehmen, sind vielseitig und hängen sicher auf davon ab, in welcher Phase deiner persönlichen Yogareise du dich befindest.

Jedes Retreat ist zudem einzigartig: Manche legen den Fokus auf Entspannung mit sanftem Yoga, anderen sind an Yogis gerichtet, die durch intensiveres Praxis ihre körperliche Asana-Praxis stärken wollen, andere wiederum konzentrieren sich auf Meditation und persönliche Weiterentwicklung.

Davon abgesehen gibt es aber einige Gründe, warum du von einem Yoga Retreat profitieren kannst:

Du hast Spaß an Yoga und möchtest mal ausprobieren, wie es ist, jeden Tag zu praktizieren (oder sogar mehrmals am Tag).

Bei einem Yoga-Retreat hast du die Möglichkeit, Yoga in einer vollkommen neuen Umgebung zu praktizieren, und zwar ohne, dass du dich auf den Weg zum Studio machen musst. So bekommst du in einer entspannten Umgebung einen Eindruck davon, welche Wirkung tägliches Yoga auf dich hat.

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Yoga + Urlaub = die optimale Tiefenentspannung

Urlaub mit Struktur

 

Manche Leute können im Urlaub einfach den ganzen Tag am Pool abhängen und sich treiben lassen – wenn du das bist, ist da nichts gegen einzuwenden! Andere wiederum planen jede Minute und sind versessen darauf, möglichst viele Erlebnisse auf ihrer To-Do-Liste abzuhaken.

Ein Yoga Retreat liegt irgendwo in der Mitte. Meist heißt es: Alles kann, nichts muss. Du kannst faulenzen und Yoga machen (oder auch mal eine Stunde sausen lassen!) und aus verschiedenen Optionalen Freizeitangeboten auswählen, die im Rahmen des Retreats angeboten werden, wie Wanderungen, Reiten, gemeinsame Ausflüge, Restaurantbesuche und vieles mehr.

Du liebst es, neues Essen auszuprobieren.

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So nah an die echte, lokale Küche ohne Touristennepp kommt man selten!

Häufig sind zwei, wenn nicht drei Mahlzeiten am Tag im Retreat inbegriffen, die von einem örtlichen Koch zubereitet werden. So hast du die Chance, die wirkliche regionale Küche kennen zu lernen, nicht nur das, was dir Touristenrestaurants als solche verkaufen wollen.

Dabei bieten viele Retreats vegetarische Küche an und gehen auf deine Sonderwünsche ein, was in örtlichen Restaurants schwieriger sein kann.

Es gibt auch keinen Grund, Yoga-Retreat mit Askese zu verwechseln: Auf vielen Retreats, die ich persönlich besucht habe, teilen sich Teilnehmer abends eine oder auch zwei Flaschen örtlichen Wein. Und vegetarisch ist natürlich auch kein Muss!

Du lernst gern neue Leute mit den gleichen Interessen kennen

Im Yogastudio zuhause siehst du wahrscheinlich oft die gleichen Gesichter, aber wie oft tauscht man sich dort vor oder nach dem Kurs tatsächlich aus oder lernt sich besser kennen? Ein Retreat bietet dir die Möglichkeit, Zeit mit anderen Yogis zu verbringen. Ihr habt schon mal eine Gemeinsamkeit, so dass es viel leichter ins Gespräch zu kommen. Die meisten Leute, die an einem Yoga Retreat teilnehmen, sind an gesunder Lebensweise interessiert, lernen gern und sind zumindest zu einem gewissen Grad selbstkritisch und an persönlichem Wachstum interessiert. Gibt es eine besser Chance, Freunde fürs Leben zu finde?

Du liebst es, zu reisen

 Yoga-Retreats ermöglichen dir, zwei deiner Interessen zu vereinen (und häufig noch viel mehr). Du findest Yoga Retreats überall auf der Welt, und manchmal musst du nicht einmal reisen, um dir eine Auszeit zu nehmen: Es gibt auch Day Retreats und Urban Retreats, wenn du dir eine Auszeit in deiner Stadt nehmen willst. Kurz gefasst: Reise mit der U-Bahn, in Europa oder weltweit und nimm dir Zeit für Yoga und FÜR DICH!

Kurz gefasst: Yoga Retreats sind eine tolle Chance, verschiedene Menschen, Regionen, Kulturen, Sprachen und dich selbst besser kennen zu lernen. Ob ein Tagesretreat, ein langes Wochenende, oder eine ganze Woche – gönne dir dieses besondere Erlebnis und eine Pause vom Alltag!

Lust auf ein Retreat in wahrsten Sinne des Wortes? Komm mit mir 2020 nach Andalusien!

Der Wert der Zeit

Wer schneller lebt, ist eher fertig. (Arno Backhaus)

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Vor ein paar Tagen kam jemand im Rahmen eines Uniprojektes in meine Yogastunde. Dabei ging es darum, Teilnehmer und vor allem Yogalehrer zu Marken für Yogakleidung zu befragen. Nach der Stunde unterhielt ich mich eine ganze Weile mit ihr.

Als ich dies darauf einer Lehrerkollegin berichtete, kam als Antwort: „Hoffentlich wurdest du für diese Marktforschung bezahlt.“

Diese Reaktion hat mich absolut baff gemacht. Ich hätte nie daran gedacht, für so etwas Geld zu verlangen oder auch nur auszurechnen, wie viel Geld ich denn in der Zeit verdient haben könnte, statt diese Fragen zu beantworten. Es war ein wirklich nettes Gespräch, das mir sehr Spaß gemacht hat.

Hier in Hamburg – und wahrscheinlich jeder anderen Großstadt der Welt – lautet die Antwort auf die Frage „Wie geht es dir“ häufig: „Viel zu tun“, „Busy“.

Der Wert dieses „busy-ness“ wird unendlich hoch gemessen. In meiner Forrest Yoga Mentorship sollte eine Teilnehmerin beschreiben, wie sie Erfolg definiert. Die Antwort? „Immer ausgebucht sein, keine Zeit zu haben.“

Diese Aussagen haben mich sehr erschreckt. Viele von uns sehen es als erstrebenswertes Ziel, so viel wie möglich zu tun zu haben. Geld spielt da nur indirekt eine Rolle, bzw. wird der Höflichkeit halber nicht erwähnt. Auch in der Freizeit packen sich viele ihren Terminkalender so sehr zu, dass man drei Monate vorher fragen muss, wenn man sich auf einen Kaffee treffen will.

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Und wenn man da nicht mitmacht?
Dann stimmt mit einem was nicht, sagt die Gesellschaft. Ich weigere mich ganz strikt, meine Arbeits- oder Freizeit so zu verplanen, dass keine Zeit mehr ist für das Dazwischen. Menschliche Kontakte, Spontaneität oder auch ganz einfach: Durchatmen, rumbummeln. Wenn ich das so sage, ernte ich oft Unverständnis: Ich muss eine Faulenzerin sein, meine Eltern müssen wohl noch meine Miete bezahlen, überhaupt habe ich das Leben nicht ganz verstanden.
Muss unser Wert wirklich davon abhängen, wie voll unser Terminkalender ist? Oder packt man sich den Plan so voll, damit man sich nicht mit sich selbst konfrontiert wird?
(… wie jemand, der vor dem Savasana den Yogakurs verlässt, weil er dafür „keine Zeit“ hat…)

Und auch für die Yogalehrer (und alle, die selbstständig und/oder mit Menschen arbeiten): Hängt dein Wert wirklich davon ab, wie viele Klassen du pro Woche unterrichtest und wie viele Teilnehmer du in deinen Klassen hast. Ist es nicht viel mehr die Intensität der menschlichen Verbindung, die eine Rolle spielt? Qualität statt Quantität? Natürlich muss jeder seine Rechnungen zahlen. Aber irgendwo ist ein Punkt erreicht, an dem man durch mehr Geld nichts dazu gewinnt.

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Außerdem gibt es da noch eine andere Wahrheit, die hinter „keine Zeit“ steckt: Prioritäten.

Wenn jemand keine Zeit für einen anderen Menschen, für eine Sache hat, dann bedeutet es ganz deutlich: Dieser Mensch ist nicht wichtig. Wenn mir jemand wiederholt sagt, er hat keine Zeit, mich zu treffen, dann weiß ich, ich stehe an allerletzter Stelle, nach allem anderen. Eine wichtige Info, denn dann lohnt es sich nicht, etwas in diesen Menschen zu investieren.
Ganz pragmatisch gesehen: Man kann halt nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Deswegen ist es so hilfreich, sich regelmäßig überlegen: Worauf will ich mich in den nächsten Monaten konzentrieren? Wo möchte ich mehr lernen, wachsen? Wo nehme ich mir Frei-Zeit? Muss ich jeder meiner Minuten im Leben einen Geldwert geben, oder ist die freie Zeit nicht unendlich wichtiger?

Wofür nimmst du dir deine Zeit?

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Was ist das “Ziel” von Yoga?

dolphinwall_baliDie meisten Menschen kommen aufgrund von gesundheitlichen Gründen zum Yoga. Viele wollen sich einfach mehr bewegen, flexibler werden. Profi-Sportler, die Verletzungen erlitten haben und Yoga zur Rehabilitation nutzen oder einseitige Belastungen ausgleichen wollen. Menschen, deren Gedankenkarussell sie verrückt macht und die sich mehr Ruhe und Ausgeglichenheit wünschen.

All das sind vollkommen legitime Gründe, einen Yogakurs zu besuchen. Doch wenn man eine Weile dabei bleibt, merkt man irgendwann, dass sich noch viel mehr dahinter verbirgt als „ein bisschen dehnen und entspannen“.

Viele Yogalehrer werden beharren darauf, bestimmte spirituelle Praktiken müssen zum Regime eines ernsthaften Yogis gehören, von Meditation über Kirtan-Singen und einer vollkommenen Änderung des Lebensstils. Andere wiederum orientieren sich an fortgeschrittenen Asanas und glauben, wenn man keine verrückten Armbalancen oder Rückbeugen „kann“, sei man kein richtiger Yogi.

Forrest Yoga ist zugegeben sehr asana-fokussiert und kann auf den ersten Blick wirken wie das verpönte Insta-Yoga: Die Praxis ist körperlich fordernd und wir spielen gern mit akrobatischen Posen. Weil ein Großteil des Menschentyps, der von Forrest Yoga angezogen ist, Intensität und Herausforderungen liebt.

Wer aber zwischen den Zeilen liest, erkennt, dass die Asana-Praxis eine Parabel ist für unser Leben.

Es geht nicht darum, dass du den Handstand kannst – aber traust du dich, es wenigstens zu probieren? Oder läufst du vor jeder Herausforderung gleich davon? Kannst du über dich lachen, wenn du hinfällst? Stehst du wieder auf und versuchst du es weiter?

Kannst du dein Herz öffnen in einer Rückbeuge, dich verletzlich machen, darauf vertrauen, dass dir niemand in den Rücken fällt? Oder hängst du an deinem Misstrauen, dir selbst und anderen Gegenüber?

Deine Yoga-Praxis bietet dir die Chance, dir diese Fragen zu stellen und in deinem Körper zu erproben, statt nur in deinem Kopf Kreise ziehen zu lassen.

Wenn man Yoga-Sternchen und Spiritualitätsjunkies folgt, entsteht oft der Eindruck, als sei das Ziel von Yoga, immer „bessere“ Posen zu meistern, noch ein Retreat, noch einen Workshop zu besuchen.

Der wahre Zweck von Yoga ist aber, die Zeit auf der Matte zu nutzen, um dein ECHTES Leben zu leben. Dir bewusst zu werden, wer du bist, wer du sein willst, und wie du dorthin kommst.

Jedes Mal, wenn du deine Yogamatte ausrollst, hast du die Möglichkeit, dich zu fragen: Wer bin ich heute? Wer will ich sein? Wie nutze ich meine Zeit auf diesem Planeten am besten?

Und wenn du deine Matte wieder eingerollt hast: HANDLE ENTSPRECHEND.

“Yoga is the Journey of the Self, Through the Self, To the Self”~ Bhagavad Gita.