Yoga: Intention und Praxis (oder: Ist Yoga Sport?)

Neulich habe ich einen geschlossenen Kurs nach längerer Pause wieder aufgenommen. Als ich die Teilnehmenden zu Beginn fragte, wie es ihnen so ergangen sei und was sie in den letzten Monaten gemacht haben, kam die Antwort: „Vieles, aber überhaupt keinen Sport.“ Das brachte mich zum Grinsen, aber machte mich auch nachdenklich, denn viele der Teilnehmenden praktizieren seit Jahren Yoga… und sehen es dennoch weiterhin als „Sport“ an.

Aber ist Yoga das wirklich? Teilen wir das Thema mal in zwei Teile auf: Was ist Sport? Was ist Yoga? 

Was ist Sport und wie stehst du dazu? 

Sport ist eine Betätigung, die darauf abzielt, den Körper zu stärken, ob durch Beanspruchung der Muskeln oder des Herz-Kreislauf-Systems, oder beides. Das trifft auf eine intensive Asana-Praxis durchaus zu (aber ist nicht unbedingt ausreichend, dazu mehr im nächsten Blogpost!) 

„Sport“ ist andererseits für viele, die zum Yoga finden, ein schwieriger Begriff. Oft finden Menschen aufgrund schwieriger Lebenssituationen zum Yoga, manchmal spielen Krankheiten, sogar Essstörungen oder Traumata eine Rolle. Dinge, die uns eher dazu bringen, uns von unserem Körper zu distanzieren. 

Für viele, die vom Sport kommen und Yoga machen, um sich „ein bisschen zu dehnen“, ist die Idee, dabei einen spirituellen Faktor einzubauen, hingegen lächerlich. Das bemerke ich jedes Mal, wenn ich als Yogalehrerin eine Klasse vertrete, die sonst laut Plan „Pilates“ oder „Rücken Workout“ ist und Leute mit den Augen rollen, nur weil ich mit einer winzigen Atemübung beginne – einatmen, kurz anhalten, ausatmen ist da schon „zu abgehoben“. 

Was ist Yoga?

Andererseits besteht Yoga aus so vielen anderen Aspekten. Häufig wird die Frage, was Yoga ist, mit Patanjalis berühmten Zitat beantwortet: „Yoga ist das zur Ruhe Bringen der Gedanken im Geist.” 

Die Gedanken im Geist kann man auf viele Arten zur Ruhe bringen, ohne dass man dazu einen Sonnengruß machen oder eine halbe Stunde am Tag meditieren muss. Runner‘s High? Check. Flow-Momente, wenn du einen wundervollen Sommertag mit geliebten Menschen verbringst? Check. Du kannst hier alles einsetzen, was dazu führt, dass du dich ganz im Moment fühlst. All das kann Yoga sein, wenn wir dieses Zitat als Maßstab ansetzen. 

Besonders beliebt unter Yogalehrern im Westen sind zwei dieser acht Aspekte, die Yamas und Niyamas, die im Endeffekt nur Verhaltensregeln sind, ein bisschen im Stil der 10 Gebote. Es hat sich mir nie erschlossen, warum man darauf so herumreitet, es ist wirklich nichts Bahnbrechendes… aber andererseits gibt es viele Menschen, die in ihrem hektischen Alltag und dem Wunsch, alles „richtig“ zu machen und „dazu zu gehören“ noch nie richtig darüber nachgedacht haben, wer sie sind und wie sie mit der Welt um sich herum interagieren. Auch in Lebenskrisen kann es sehr helfen, sich auf solche Grundlagen zu besinnen. 

Müssen wir also alle acht Aspekte praktizieren, um „Yoga“ zu üben? Ich glaube nicht nur, dass das nicht sein muss, sondern auch, dass es gar nicht möglich ist, zur gleichen Zeit im Leben alle zu berücksichtigen. Das ist in der Yoga-Philosophie auch gar nicht so vorgesehen. Es ist eher ein Pfad, der uns angeboten wird. Wie weit- und tiefgreifend du ihn beschreitest, ist dir überlassen. 

Die Schriften der Yoga-Philosophie, ein Leben nach yogischen Prinzipien, ayurvedische Behandlungen, ein sattvischer Lifestyle… können ein Bestandteil davon sein, müssen sie aber nicht. Wenn du dich mit Yoga-Philosophie auseinandersetzt, wirst du schnell merken, dass da gar nicht viel Mystisches dran ist und sich vieles mit allgemeinen ethischen Grundsätzen in anderen Traditionen deckt (ergo: du musst dich damit nicht groß auseinandersetzen, wahrscheinlich kennst du es schon!) 

Wenn ich „nur“ Asana praktiziere, ist es dann Yoga? 

Meine Antwort: Das kommt darauf an, welche Absicht du damit verfolgst. Ob du dich auf deinen Atem einlässt, dich darin übst, deine Gedanken und dein Ego während deiner körperlichen Praxis weniger ernst zu nehmen, oder ob du in einer Spirale aus Leistung und Selbstkritik gefangen bleibst. 

Obwohl ich mit den anderen Elementen des Yoga vertraut bin, praktiziere ich sie persönlich nicht in einer Form, die wie klassisches Yoga aussieht. Ich meditiere nicht, chante nicht, verzichte auf viele „klassisch indische“ Elemente des Yoga. Das heißt allerdings nicht, dass ich diese Werte in meinem Alltag nicht berücksichtige und in vieles einfließen lasse, was ich tue.

Mal zugespitzt gesagt: Jemand, der niemals auch nur eine Yogastunde besucht hat, sich aber für soziale Gerechtigkeit einsetzt und sich selbstreflektiert durch die Welt bewegt, ist sicherlich mehr Yogi als jemand, der einmal die Woche für einen „harten Flow“ ein Yogastudio besucht, um dann wieder „optimierter“ in seinem Job in einem multinationalen Unternehmen durchzustarten. Die Realität liegt meist dazwischen und es gibt endlos viele Kombinationsmöglichkeiten. 

Für welche Aspekte entscheidest du dich? Wie sieht „dein“ Yoga aktuell aus und welche Aspekte möchtest du tiefer erkunden?

Moin!

Lust darauf, mehr in deinem Körper anzukommen und nicht nur deinem Kopf abzuhängen? Yoga ganzheitlich zu praktizieren, ohne ins Esoterische abzugleiten? Dann könnten wir zueinander passen.

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