Oder: Warum ich die klassischen Forrest Yoga Bauchübungen reduziert habe
„Verschränke die Hände am Hinterkopf. Füße in die Luft, beug die Knie. Atme ein, lifte Kopf und Nacken. Halt den Atem an, drück unteren Rücken in die Matte, zieh Schambein zum Bauchnabel, atme aus mach was mit den Beinen, am Ende der Ausatmung, zieh den Bauch ein…“
So oder so ähnlich funktionieren alle Bauchübungen, die du in einer Forrest Yoga oder Forrest-inspirierten Klasse sicher kennen und lieben (oder hassen!) gelernt hast.
Vorab: Diese Übungen haben ihre Berechtigung. Sie werden so oder so ähnlich in vielen anderen Fitnessformen genutzt. Was Forrest Yoga besonders macht, sind die Atemanweisungen, die es dabei gibt und die den Druck im Bauchraum verändern sollen.
Das kann diese Übungen effektiver machen als in anderen Versionen, die man z. B. auch im Pilates kennt. Gerade für Leute, die mit Rückenschmerzen zu kämpfen haben, und das sind sehr viele, können die Forrest-Übungen sehr heilsam sein und direkte Linderung bringen.
Im Forrest Yoga jedoch werden diese Übungen als „ganz einzigartig“ und besonders herausgestellt. Besonders ist dabei eigentlich nur, dass solche Übungen in den wenigsten anderen Yogastilen verwendet werden (nebenbei – viele der Forrest Übungen kannte ich bereits aus dem Iyengar Yoga – Ana Forrest hatte auch bei Iyengar eine Ausbildung gemacht; es wird den Forrest-Lehrern gegenüber jedoch nie erwähnt, dass diese Übungen nicht von Ana erfunden wurden). Wenn man sich mit fortgeschritteneren Balance- und Umkehrhaltungen schwerfällt, wird einem im Forrest immer gesagt, man müsse einfach mehr Bauchübungen machen.
Das habe ich auch geglaubt, denn so vieles andere im Forrest Yoga hat auch für mich funktioniert. Doch auch nach fast 10 Jahren Forrest-Praxis habe ich zwar starke Bauchmuskeln, aber dem Handstand oder Unterarmstand ohne Unterstützung bin ich zum Beispiel noch immer kein Stückchen nähergekommen (werde ich wahrscheinlich auch nie, und der Grund ist eher mein instabiles Schultergelenk als alle anderen Muskeln…)
Stattdessen musste ich etwas anderes beobachten: Je mehr ich Forrest Yoga Bauchübungen praktiziert habe, desto häufiger musste ich ganz dringend auf die Toilette. Anfangs dachte ich, das sei normal, schließlich trinke ich auch viel, wenn ich praktiziere, und noch mehr, wenn ich unterrichte. Irgendwann wurde mir das ganze aber unheimlich: An jedem Tag, an dem ich Forrest praktiziert hatte, musste ich den Rest des Tages fast jede halbe Stunde pinkeln. Außerdem verspürte ich beim Joggen nach einer solchen Yogapraxis, auch oft am Tag danach, ein seltsames Druckgefühl rund um den Beckenboden. An Tagen, an denen ich andere Yogastile praktiziert hatte, auch mit anderen Bauchübungen, war das nicht der Fall. Bis ich das Thema mal bei einem Besuch bei meiner Gynäkologin zur Sprache brachte…. war vielleicht mein Beckenboden zu schwach?
Wenn man ständig aufs Klo muss, kann das viele Gründe haben. Viele Frauen werden regelrecht darauf trainiert, gerade nach einer Schwangerschaft und Geburt, zu glauben, unser Beckenboden sei zu schwach. Mein Glück in diesem Moment war, bei einer Ärztin gelandet zu sein, die sich mit dem Thema bestens auskannte und die meinte „Ich seh hier überhaupt keinen schwachen Beckenboden, eher das Gegenteil!“
Und so erfuhr ich, dass ich mir mit den ständigen Forrest-Bauchübungen einen zu angespannten Beckenboden antrainiert hatte. Wenn du deinen Bauch ständig einziehst, aktivierst du deine oberen Bauchmuskeln permanent (und nicht, wie es im Forrest Yoga gern erzählt wird, deine tiefliegenden Bauchmuskeln). Das verändert nicht nur die Funktion und die Druckverhältnisse im Rumpf, sondern auch die deines Beckenbodens und deiner Atemstrategien. Chronisches Baucheinziehen, oder auch intensives, gesteuertes Baucheinziehen, an mehreren Tagen der Woche (hallo regelmäßige Yogapraxis!) kann zu Beckenbodenfunktionsstörungen führen und sich auf andere Organe auswirken. Einige Muskeln MÜSSEN sich entspannen, damit andere richtig arbeiten können.
Seitdem habe ich mich des Problems genauer angenommen, ein Teacher Training zum Thema Beckenboden bei einer Physiotherapeutin gemacht und mich viel mit Pilates auseinandergesetzt (wo viele der Forrest-Yoga-Bauchübungen vorkommen, aber es wird meist entgegengesetzt geatmet). Schon nach ein paar Wochen war das Problem komplett gelöst. Es ist gut, zu lernen, die Coremuskulatur anzuspannen. Aber genauso müssen wir auch üben, sie zu ent-spannen.
Was bedeutet das für mich? Ich praktiziere und unterrichte diese Übungen immer noch, aber mit unterschiedlichen Anweisungen. Meistens lass ich einen Teil weg, und zwar im Wechsel immer einen anderen. Denn es gibt Menschen, die haben keinerlei Vorteil von der Beckenkippung („Schambein zum Bauchnabel“). Genauso gibt es welche, denen das Baucheinziehen oder Atem anhalten nicht guttut. Und genauso gibt es Personen, für die beides gut funktioniert. In jedem Fall glaube ich, dass Abwechslung und unterschiedlicher Fokus auf verschiedene Körperstellen viel wichtiger ist.
Außerdem arbeiten unsere Bauchmuskeln bei fast allem mit, was wir tun! Planks, Balanceübungen und auch Übungen, in denen der Oberkörper zur Seite geneigt ist (z. B. Dreieck, Extended Warrior 2 und seine Varianten), sind ganz genauso Bauchübungen. Auch der Beckenboden ist ein Teil unserer Core-Muskulatur, ein Fakt, der leider oft vergessen wird. Auch unsere Atmung spielt eine wichtige Rolle, denn Beckenboden und Zwerchfell sind eng miteinander verbunden. Das bedeutet: Auch Breath Work ist Core Work!
In den nächsten Monaten starte ich ein Teacher Training zum Thema Yogalates, damit ich euch mehr Pilates-inspirierte Bauchübungen in die Asanapraxis einbauen kann. Ihr dürft gespannt sein 😊
Wie fühlst du dich mit den Forrest Yoga Bauchübungen? Gibt es Varianten, die für dich besser funktionieren?





