Heute wird es feinstofflich: Es geht um Chakren. Ein kleiner Disclaimer vorweg: Wenn du feinstofflich extrem gut verbunden und empfindlich bist, sind die Infos hier für dich wahrscheinlich vollkommen unnötig. Mir geht es darum, das Thema für Skeptiker für beleuchten. Das heißt überhaupt nicht, dass du diese Dinge nicht einfach spüren kannst – wenn das der Fall ist, brauchst du ja keinen Artikel dazu.
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Jetzt also für die Skeptiker 😉 Ich habe viele Jahre immer wieder versucht, mich mit diesem Thema auseinander zu setzen, und es hat nie geklappt. Es war einfach immer zu viel „das spürt man halt, das muss man nicht erklären“. Damit kann ich mich nicht zufrieden geben.
Chakren: Die esoterische Sicht
Fangen wir aber mal da an, wo man in der Yogawelt immer anfängt… bei den alten Indern. Laut deren Weltsicht, und auch der Sicht des Menschen im Ayurveda, gibt es in unserem Körper zahlreiche Energiezentren, durch die unsere Lebensenergie, das Prana, geschleust wird. Man spricht dabei von 72000 Nadis und 114 Chakras! Also einer ganzen Menge. Wir konzentrieren uns aus praktischen Gründen heute auf die sieben Hauptchakren, von denen im Yoga meistens die Rede ist (auch wenn es einige yogische Systeme gibt, die mit 12 Chakren arbeiten). Diese Zentren sollen nicht nur unseren Energiefluss regulieren, sondern auch unsere Lebensenergie „reinigen“. Schwierig, dieses Thema von dieser Seite aus anzugehen.
Sehen wir uns doch mal kurz an, wo sich diese Hauptchakren befinden und wofür sie stehen. Leute haben ganze Bücher darüber geschrieben, deswegen erhebt diese Auflistung keinen Anspruch der Vollständigkeit:
Das erste Chakra, Muladhara und auch Wurzelchakra genannt, befindet sich am Damm. Es wird mit der Erde, unseren Wurzeln, der Familie und unseren Grundbedürfnissen in Verbindung gebracht.
Das zweite Chakra, Svadhisthana, befindet sich im Bereich zwischen Schambein und Bauchnabel. Es wird mit unserer kreativen Energie, unseren Gefühlen, Beziehungen und fließender Energie in Verbindung gebracht.
Das dritte Chakra, Manipura, befindet sich in der Mitte unseres Bauches, dem Solarplexus. Es steht für Willenskraft, Ausdrucksstärke und Handeln.
Das vierte Chakra, Anahata, befindet sich in der Mitte unserer Brust. Anahata ist Sanskrit für „Herz“. Dieses Chakra wird daher, wenig überraschend, mit Liebe, Mitgefühl und dem Gefühl der Verbundenheit in Verbindung gebracht.
Das fünfte Chakra, Vishudda, befindet sich am Hals und ist daher auch als Hals- oder Kehlkopfchakra bekannt. Es steht für unseren Selbstausdruck, dafür, wie wir uns anderen Gegenüber ausdrücken, aber für das, was wir als Wahrheit ansehen und wie wir es ausdrücken – uns selbst und andere gegenüber.
Das sechste Chakra, Ajna, befindet sich zwischen den Augenbrauen und ist das sogenannte „dritte“ Auge. Es steht für unsere innere Weisheit, aber auch für Träume und das Vertrauen in uns Selbst.
Das siebte Chakra, Sahasrara, befindet sich am höchsten Punkt unseres Körpers, der Krone des Kopfes. Es wird mit dem Übernatürlichen in Verbindung gebracht, der Fähigkeit, Dinge zu sehen und zu spüren, die über den Verstand hinaus gehen, und dem Gefühl der Einheit mit der gesamten Schöpfung.
Wenn man sich also ansieht, wofür diese Chakren stehen, wird schnell klar, dass hier all das angesprochen wird, was den Mensch zum Menschen macht. Idealerweise sollten die Chakren ausgeglichen sein. Es gibt jedoch das Konzept, dass Chakren entweder „überaktiv“ oder „geblockt“ sind.
Dazu mal eine interessante Anekdote: Auf einer Party vor ein paar Jahren brachte jemand sein Date mit, eine sehr verhuschte Dame, die irgendwann im Laufe des Abends jedem erzählte, dass irgendein Chakra „blockiert“ war. Nämlich immer dann, wenn das Gespräch ins Stocken geriet, weil sie nichts beizutragen hatte. Eine Lösung hatte sie natürlich auch: Sie verfüge über das Talent, Chakren zu „entblocken“. Das war eine bunt gemischte Party, auf der sonst niemand besonders viel mit Yoga oder östlicher Spiritualität am Hut hatte und sorgte dafür für Aufruhr und Gelächter. Ich fragte sie ganz ernst, wie sie das denn mache, die Chakren „öffnen“. Die Antwort: Dies sei ein Geheimnis, dass sie nicht teilen könne, aber sie könnte es für 100 € machen…
Und da liegt mein Problem mit diesem ganzen Chakrenzauber. Es ist nichts als Zauber.
Chakren: Die physische Sicht
Wir leben in einer super spannenden Zeit, in der sich die Wissenschaft alten spirituellen Weisheiten immer mehr annähert. Die Existenz der chinesischen Meridiane zum Beispiel, ein mehrere tausend Jahre altes System, konnte vor ein paar Jahren nachgewiesen werden. Auch die Atemübungen im Yoga auf unser Gehirn wirken, lässt sich erforschen. Und ja, einige der Chakren befinden sich in der Nähe wichtiger Organe, die mehr oder weniger etwas mit den entsprechenden Themen zu tun haben. Das Wurzelchakra mit den Sexualorganen. Das Herzchakra mit Herz und Lunge. Unter dem „dritten Auge“ befindet sich die Zirbeldrüse, welche unter anderem zeitabhängige Rhythmen im Körper beeinflusst.
Aber: Es gibt keinerlei wissenschaftlichen Nachweis, dass die Chakras oder auch die Nadis existieren. Nicht an den Stellen, an denen wir sie uns vorstellen und auch nicht in Verbindung mit unserem Nervensystem. Natürlich ist alles im Körper irgendwie verbunden. Das ist so ziemlich alles, was dieses alte System aussagt und auch alles, was man wissenschaftlich, anatomisch und physiologisch belegen kann.
Dass Körper und Seele zusammenhängen, möchte ich an dieser Stelle überhaupt nicht abstreiten. Dass die Zusammenhänge komplex sind und sich schwer erforschen lassen, auch nicht. Aber es gibt keinerlei wissenschaftlich tragbare Hinweise, dass genau diese lokalisierten Chakrapunkte irgendeine Rolle spielen. Vielmehr handelt es sich um ein ganz rudimentäres System, um den menschlichen Körper zu verstehen, und zwar aus einer Zeit, in der man kaum etwas über die Anatomie des Menschen wusste.
Chakren als Symbol
Sollte es also nicht in der nächsten Zeit zu einem neuen Durchbruch in der Molekularphysik kommen, der alles, bleiben Chakren einfach eines: Ein nettes System, eine Parabel und ein Werkzeug, das wir nutzen können, um unser Leben genauer zu betrachten. Es ist eine Frage des Glaubens, nicht des Wissens.
Wie können wir dieses System im Yoga nutzen, egal, ob wir daran glauben oder nicht? Man kann die Chakren als Fokuspunkte nutzen, um sich genauer mit dem eigenen Körper auseinander zu setzen. Aber auch in die übertragenen Bedeutungen schauen, um verschiedene Bereiche des eigenen Lebens zu analysieren und sich die wichtigen Fragen zu stellen.
Ein konkretes Beispiel: Jemand lebt ein Leben, das vollkommen gegen seine Überzeugung ist und wagt es nicht, sich gegen die eigene Familie aufzulehnen oder einfach mal die Wahrheit zu sagen. Ob ich jetzt sage, da stimmt aber was nicht mit dem Halschakra, oder diesen Menschen dazu anrege, sich mit dem Thema Wahrheit und Ehrlichkeit auseinander zu setzen. Manchen mag es helfen, das schön in das Chakra-Thema zu verpacken, weil er sich eher unterschwellig und emotional mit der Welt auseinandersetzt. Manche brauchen dieses Konstrukt dazu nicht und das ist vollkommen ok.
Du kennst sicher das Gefühl, dass du einen Kloss im Hals hast, es dir schwer fällt, wichtige Worte auszusprechen. Hat jetzt automatisch jeder, der sowas erlebt oder Halsschmerzen hat, ein Problem mit dem Halschakra? Nein.
Was ich nicht cool finde, ist dass man in der Yogawelt manchmal mitleidig angeschaut wird, wenn man mit Chakren oder anderen, eher abstrakten Themen, nichts anfangen kann. Man sei nicht offen oder erleuchtet genug, oder Chakra xy muss blockiert sein, heißt es dann manchmal von oben herab. Das man den gleichen Sachverhalt vielleicht einfach viel nüchterner und sachlicher betrachten kann, ist für solche Menschen genauso wenig verständlich wie für mich die Idee, dass ich mich über meinen Schädel mit dem Universum verbinden kann. Widersprüchlich muss es nicht sein.